Glühkopfrestaurierung

(von Jürgen Detlef)

Mitgliederforum

Gelegenheit zur Vorstellung von Maschinen der Mitglieder

Besitzer und Restaurator: Jürgen Detlef
Maschine: Lanz Bulldog
Typ: HN 3, D 7506
Baujahr: 1939
Fahrzeugnummer: 119979
Amtliches Kennzeichen: HD – YN 231 grün

Ich habe das Fahrzeug im Herbst 1996 in Bonafort bei Hann. Münden erworben. Es stammte aus der ehem. DDR und war bis 1992 in Finsterwalde zugelassen. Der langen Laufzeit entsprechend war die Maschine aufgebraucht. Alles was sich an ihr bewegte oder drehte war abgenutzt und/oder ausgeschlagen. Äußerlich sah die Maschine nicht mal schlecht aus. Sie wurde vom letzten Besitzer in der DDR anscheinend immer gut unter Farbe gehalten; mit dem Pinsel versteht sich.

Die Maschine sprang mit der Hand bzw. mit dem Lenkrad nicht mehr an. Hier half nur Anschleppen. Einmal am Laufen zeigte der Motor sich entsprechend kraftlos. Zylinder und Kolben mit Kolbenringen waren so arg verschlissen, dass der Motor sich problemlos durchdrehen ließ.

Abhilfe:

Zylinder und Kolben und Kolben vermessen,
Zylinder waagerecht   172,1 mm
Zylinder senkrecht      172,4 mm
leicht oval ausgelaufen, aber noch vertretbar
Kolben waagerecht      171,3 mm
Kolben senkrecht         170,7 mm Schrott

Außerdem waren am Kolbenmantel Risse feststellbar. Die Kolbenringe waren wie abgeschmirgelt, hatten keine Spannung mehr und wiesen jede Menge seitliches Spiel auf. Der Zylinder wies auf der Auspuffseite tiefe Längsriefen auf, die durch einen ungesicherten, nach links auswandernden Kolbenbolzen entstanden sind. Erst wollte ich den Zylinder ausbohren lassen, nach reiflicher Überlegung kam ich zu dem Entschluss, es mit dem Zylinder noch einmal zu versuchen, da die Riefen nicht bis oben hingingen.

Aber einen anderen Kolben brauchte ich. Von Walter Enz in Hochdorf bekam ich einen Schrottkolben, nach seiner Aussage, weil die Steuerkanten rundherum ca. 45 Grad und 10 – 15 mm breit abgemeißelt waren. Aber weil der Kolben einen Durchmesser von 173 mm hatte, habe ich es mit ihm versucht. Zuerst habe ich die abgemeißelten Kanten mit Gusselektroden aufgeschweißt und den Kolben auf 172 mm abgedreht. Dann die Kolbenringnuten nachgestochen und neue Kolbenringe eingepasst. Das Stoßspiel der Ringe im unverschlissenen Zylinderteil eingestellt. Aber wie es sein muss, der alte Kolbenbolzen war zu dick. Da ich ihn aber verwenden musste, habe ich ihn abgedreht und in den Kolben eingepasst. Eine neue Pleuelbüchse gefertigt. Die alte war für den ca. o,3 mm dickeren Bolzen zu weit. Das ganze montiert und siehe da, der Bock hatte wieder Kompression. Er war mit der Hand nicht mehr durchzudrehen. 

Anheizen – Probefahrt. Motor springt gut an, aber der Regler arbeitet schlecht, Standgas nicht einstellbar. Macht nichts – so weit war ich ja noch nicht.

Nach 2 km Probefahrt – Motor fest. Kurze Zeit gewartet und der Motor ließ sich wieder von Hand drehen. Nach Hause schleppen – demontieren -  Kolben 0,2 mm abdrehen – montieren – läuft bis heute.

Die Kupplung trennte nicht mehr richtig. Ausrückteile und Gestänge ausgeschlagen. So hatte die senkrechte Ausrückwelle am unteren Ende ca. 10mm Spiel, die sie sich geradlinig vorbewegte, bevor sie sich in die gewünschte Drehbewegung setzte.

Die Kupplungsmuffe war total verschlissen.

Die unter dem Getriebegehäuse gelagerte Kupplungspedalwelle mit den entsprechenden Lagerungen ebenso wie die danebenliegende Bremspedalwelle waren total ausgeschlagen. Mangels Ersatzteile waren die Kupplungsbacken mit Holzbelägen versehen, die natürlich nach Belieben rutschten.

Abhilfe:

  • Kupplungsbeläge erneuert
  • Kupplungsmuffe Bronzeanlaufscheiben erneuert, alle Drehpunkte ausgebüchst
  • Armkreuz ausgedreht und Kupplungsbüchsen ( sitzen zwischen Armkreuz und Kurbelwelle) erneuert
  • Senkrechte Kupplungsausrückwelle im Motorgehäuse ausgebüchst, dazu Welle aufgeschweißt und eingepasst. Ebenso Kupplungs- und Bremspedalwelle.
  • Alle Gelenke der Kupplungsbetätigung ausgebüchst.

Siehe da, mit einem Mal funktionierte die Kupplung wieder.

Desweiteren taten sich Frostrisse im Steigrohr und im Zylinderkopf auf, die unfachmännisch und deshalb nicht dauerhaft instand gesetzt waren.

Abhilfe:

Steigrohr nachgeschweißt und verschliffen.

Zylinderkopf, gem. Literatur ein Nachgusskopf aus der DDR (war mir damals nicht bekannt), mehrfach, aber letztendlich erfolglos versucht nachzuschweißen.

Einen gebrauchten Zylinderkopf erwischt – montiert – Motor läuft, klopft aber stark. Kompression verringert, durch Unterlegen der Zündnase – erfolglos. Alle Unterlagen raus und klopfen lassen – bis heute.

Die Kühlerelemente waren undicht. Alle fünf Elemente erneuert, dazu mühsam die vergammelten Rohrstutzen entfernt. Danach waren die Gewinde im Wasserkasten und Zylinder nicht mehr zu gebrauchen. Gewinde M 32 x 1,5 eingeschnitten. Dazu Rohrstutzen mit Gewinde M 32 x 1,5 auf einer Seite, der Rest M 30 x 1,5 mit entsprechenden Hutmuttern gefertigt. Alles montiert – dicht.

Dann wurde die Kurbelwelle ausgebaut. Und siehe da – der Ölschleuderring, verantwortlich für die Schmierung des Pleuellagers war gebrochen. Es ging also einiges von dem für das Pleuellager vorgesehenen Schmieröl verloren. Aber der Rest hat anscheinend ausgereicht, denn der Hubzapfen der Kurbelwelle sah gut aus.

Ölschleuderring geschweißt ( Aluminium ), alle Ölbohrungen und Kanäle gereinigt und montiert.

Filzringe in den federbelasteten Anlaufscheiben erneuert. Die Anlaufscheiben dienen der Kurbelwelle als Seitenführung, da die verbauten Zylinderrollenlager keine Seitenkräfte aufnehmen. Beide Zylinderrollenlager der Hauptlagerung erneuert.

Der Hubzapfen sah wie gesagt gut aus, war aber nicht gehärtet, obwohl ein Bronzepleuellager verbaut war. Es heißt ja, dass bei weichen Hubzapfen nur Weißmetalllager verwendet werden dürfen.

Was also machen? Der Hubzapfen hat mit Bronzebüchse nicht gefressen. Also kann ich diese Paarung auch beibehalten. So habe ich die Beilagen zur Pleuellagerschale entfernt, die Bronzebüchse mit dem Pleuellager fest verschraubt Das ganze auf dem Fräsmaschinentisch ausgerichtet und die Büchse auf das Maß des Hubzapfens (73mm ) ausgespindelt – montiert –  läuft bis heute.

Die Zahnradölpumpe zur Ölrückförderung aus dem Kurbelgehäuse war stark eingelaufen.

Deckel plangeschliffen – erledigt.

Bei dieser Gelegenheit habe ich in die Saugleitung vom Bocklager einen Ablasshahn eingelötet. Zweck – nach längerem Stand der Maschine, kann ich Öl oder  Kraftstoff aus dem Kurbelgehäuse ablassen.

Nach oder während der ersten längeren Ausfahrt (von Eichtersheim nach Rheinhausen an den Rhein) habe ich feststellen müssen, dass der Motor sehr viel Öl aus dem Schornstein schmeißt. Nach zwei Stunden Fahrt war ich nicht mehr wieder zu erkennen.

Abhilfe:

Auslitern  (mit Reagenzglas) der einzelnen Pumpen des Ölers.

Verdrehen der Welle vom Gasgestänge zum Öler (die Ölmenge der Kolbenschmierung ist lastabhängig), so dass bei Standgas der Zeiger auf der Welle mit der Markierung am Gehäuse übereinstimmt. Hierzu wurde die Welle warm gemacht und mit zwei Zangen entsprechend verdreht. Folge – bis heute trockener Auspuff.

Der Regler zeigte sich als unbrauchbar- total ausgeschlagen – Federn verzogen usw. - Schrott.

Gebrauchten Regler erwischt – eingebaut – läuft gut.

Reglerschubstange hat vie Luft auf dem Exzenter. Reglerschubstange ausgebüchst. Der Daumen zur Daumenwelle und der Regelkeil zum Antrieb bzw. Steuerung der Einspritzpumpe sind dick aufgeschweißt- beides so gelassen – lediglich den Keil geglättet.

Die Einspritzpumpe tropfte durch die Stopfbuchse. Wenn ich die Stopfbuchse soweit  anzog, dass sie dicht war, blieb der Pumpenkolben vorne hängen und die Maschine blieb stehen. Zuviel Verschleiß an Pumpenkolben und Pumpenzylinder. Da das Pumpengehäuse nur soweit verschlissen wie der Kolben hineinragte und der Rest der Bohrung neuwertig war, fertigte ich einen neuen längeren Pumpenkolben, der in dem unversehrten Teil seiner Arbeit nachgeht.

Dann habe ich den Bulldog getrennt, um alle Getriebelager zu erneuern und einzustellen und gleich schnellere Getriebeübersetzungen einzubauen. Der zweite Gang erhielt einen Zahn mehr, der dritte Gang zwei Zähne mehr und die Gruppe fünf Zähne mehr (statt  32/33 jetzt 37/28).

Bei der Testfahrt mit angebauten Fahrradtacho war der Bulldog mit 36 km/h zu schnell, der Motor erhielt zuviel Sprit (aufgeschweißter Daumen usw.) Dies zeigte sich durch starke Flammen im  Auspuff. Sehr eindrucksvoll bei Nachtfahrt. Also weniger Sprit braucht der Bulldog. Hiezu habe ich an dem Gasgestänge ein Klemmstück als Gehäuseanschlag angeschraubt und dieses  auf 31 km/h eingestellt.

Bei dieser Geschwindigkeit hüpft der Bulldog wie ein Geißbock und schwingt sich auf. Eine gefederte Vorderachse muss her. Gebrauchte war keine zu bekommen. Also eine neue in Holland geholt. Mit neuem Bocklager. Die Büchsen für das Hauptlager und die Achsschenkelbolzen haben nicht gut gepasst. Alle raus, neue gefertigt. Dazu den Bolzen für das  Hauptlager überdreht und in der Länge dem Hauptlager angepasst. Alles zusammengebaut, Vorderachse ausgerichtet und mit Achsstreben mit dem Bocklager verbunden. Die Achsbefestigungen habe ich aus Vierkantstahl 40 x 40 mm hergestellt. Die Spurstange passte nicht mehr. Da sie unter dem Achsträger hindurchlaufen muss, wurde sie gekröpft und verlängert. Die Exzenter zur Spurverstellung wurden neu gefertigt. Jetzt waren auch die Lenkhebel zu kurz, der Lenkeinschlag war viel zu klein, weil die Spurstange am Achskörper anlag. Aus Rundstahl 100 x 60 mm wurden Abstandshalter angefertigt, die mit den Lenkhebeln mit längeren Schrauben am Radlagergehäuse verschraubt wurden. Jetzt war die Spurstange wieder zu lang. Kürzen.

Die Blattfedern der Vorderachse waren mit 8 mm zu dick. Federwirkung gleich null.

Federpaket zerlegt und einzelne Federblätter auf 6 mm heruntergefräst. Dies geschah mit einem Hartmetall – Messerkopf, der immer nur für kurze Abschnitte eingesetzt werden konnte, da sich die Feder anders nicht zuverlässig spannen ließ.

So nach und nach habe ich Scheibe, Dach und Kotflügel vorne und hinten montiert.

Besonders die vorderen sind wichtig. Bei schneller Fahrt und Regenwetter wird das Wasser vom Vorderrad einen halben Meter über die hinteren Kotflügel geschleudert. Bei günstigem Wind landet der Segen genau beim Fahrer.

Dann wurde der Luftklappensitz plan geschliffen und mit neuen Lamellen versehen. Die Lenkung zeichnete sich durch relativ viel Spiel aus, obwohl die Vorderachse als neuwertig anzusehen war. Bei genauem Hinsehen und entsprechender Wackelbewegung erkannte ich, dass sich die senkrechte Lenkwelle im Getriebegehäuse ca. 5mm auf und ab bewegte. Nach Entfernen des oberen Abdeckbleches, kam ich auf die Idee, in die Zentrierbohrung der Welle eine passende Stahlkugel einzulegen, die das senkrechte Spiel beseitigen soll.

Was sie auch tat.

Die Vorkriegsmaschinen waren mit einer 6 Volt Lichtmaschine ausgestattet, die vom Getriebe angetrieben war. Sie zeichnete sich durch wenig Leistung aus und fehlte bei meiner Maschine. Also Einbau einer leistungsfähigen 12 Volt Drehstromlichtmaschine. Hierzu baute ich ein, in das Lichtmaschinengehäuse passendes, rundes Übersetzungsgetriebe mit dem Übersetzungsverhältnis 1 : 2. Die Drehstromlichtmaschine wurde unter dem Plattformblech verschiebbar angebracht, um den Keilriemen spannen zu können. Dann wurde alles mit einem Blechkasten verkleidet und ist so gegen den Dreck vom Hinterrad geschützt und nahezu unsichtbar. Ergebnis : Strom satt.

Jetzt war über dem Antrieb für die Lichtmaschine immer noch eine Bohrung frei. Die für den Luftpresser für die Reifenfüllanlage. Der Luftreiniger war noch an der Armaturenwand montiert , der Luftpresser aber fehlte. Was lag näher, als diesen analog der Explosionszeichnung aus der Ersatzteilliste nachzubauen.

Aus vollem Aluminium wurden das Gehäuse und die Deckel gedreht und gefräst. Die Kurbelwelle und der Zylinder gefertigt. Einen Kolben mit dem passenden Zylinderkopf aus einem alten DDR-Kompressor hatte ich noch und das Teil war fertig.

Nachdem ich den Bulldog mit einem stabilen Holzdach versehen hatte, kam es bei einer Ausfahrt, die fahrerseits ein bisschen aus der Kontrolle geriet ( tiefes Schlagloch ) zu einer schmerzhaften Bekanntschaft zwischen Dachstrebe und Fahrerkopf. Dies lag zum größten Teil an der schlampigen Fahrweise, aber auch an der ungedämpften Sitzfeder, die mich machtvoll an das Dach katapultierte.

Sitzfeder musste gedämpft werden! Dazu wurde ein ausgedientes Federbein eines Motorrades BMW R 80 GS aufgetrieben. Die Feder entfernt, die Kolbenstange gekürzt und mit einer Halterung eingebaut. Funktioniert.

Bei einer der ersten Bulldog-Messen in Alsfeld bot Bulldogpapst Peter Nolte schwerere Schwungräder für den großen Bulldog an. Seine Argumente für das Warum, kamen mir einigermaßen plausibel vor, weshalb ich mich daran machte, die Schwungräder mit Gewichten zu versehen. Hierzu wurden aus 40mm dickem Blech Ringe mit Außendurchmesser von ungefähr 500 mm (der Ring am Reglerschwungrad ist ein bisschen größer) und 60mm Breite ausgebrannt. An den Schwungrädern wurde je ein Zentrierungsansatz angedreht. Die Ringe nur leicht sauber gedreht, dass sie ja kein Gewicht verlieren und den Zentrierungsansätzen angepasst und mit den Schwungscheiben in bereits vorhandenen Gewindebohrungen verschraubt. Fertig – läuft bestens.

Aber jetzt ist Schluss. Je länger ich mich gedanklich mit den Arbeiten am Bulldog befasse, um so mehr Einzelheiten fallen mir ein, über die ich berichten könnte.

Ich meine, das Vorgenannte reicht aus, um darzustellen was es bedeutet, eine völlig ausgelutschte Maschine, insbesondere aus dem Ostblock, wieder instand zu setzen und nach seinen Bedürfnissen aufzubauen.